Ein Paket für mich alleine
Onkel Heinrich hat bei mir einen Stein im Brett. Für immer.
Er war mein Patenonkel. Und er wohnte weit entfernt in Hamburg. Gegenseitige Besuche waren höchst selten. So war das in den 60er oder frühen 70er Jahren.
Doch fast jedes Jahr kam ein großes Paket. Zum Geburtstag oder zu Weihnachten: Nahezu immer schaffte es Onkel Heinrich, mir etwas zu schicken. Ich weiß noch, wie der Postbote klingelte und das Paket umständlich vor der Tür ablegte, während er meinen Namen las. Ein Paket für mich alleine. Eigentlich spielte es dann keine Rolle mehr, was das Paket enthielt, mir reichte schon, dass mein Patenonkel an mich gedacht hatte, sich die Mühe gemacht hatte, ein Paket für mich zu packen. Freudig machte ich mich ans Auspacken. Ich erinnere mich an kleine Spielzeuge, an Süßigkeiten, dicke Orangen… Oft hatte er noch eine der verzierten Kerzen hinzugefügt, die seine Frau in einer Kerzenmanufaktur hergestellt hatte. Und ich weiß noch: einmal war ein großer gelber Teddy dabei.
Onkel Heinrich war ganz klar mein Lieblingspatenonkel.
Als wir ihn kurz nach meiner Konfirmation besuchten, wurde mir klar, dass er eigentlich schwer krank war. Er litt an Diabetes und vielleicht noch anderem. Trotzdem ging er mit uns an jenem Wochenende über den Hamburger Dom, stieg mit mir in Fahrgeschäfte und schien alles zu tun, um die Zeit, die er mit mir nicht hatte verbringen können, nachzuholen.
Seltsam, wo wir uns doch so selten gesprochen hatten, doch ich hatte das Gefühl, dieser Mann sei einer der wenigen Erwachsenen, für die Kinder wichtig sind und der es ernst nahm, für sein Patenkind so gut er es konnte, da zu sein.
Jetzt, in diesen Wochen, wo wir Geschenke besorgen, Pakete packen, muss ich wieder an ihn denken. Vielleicht habe ich durch meinen Patenonkel gelernt, wie schön es ist, beschenkt zu werden. Und dass es nicht allein die Menge an Zeit ist, die uns miteinander verbunden hält, sondern einfache, schlicht-schöne Gesten.
Ein dickes Paket, das von weit her kommt. In das jemand seine Liebe und Zugewandtheit hineingelegt hat. Irgendwie ist es mit dem Kind in der Krippe doch ganz ähnlich. Und vielleicht hat ja Gott etwas von einem guten, zuverlässigen Patenonkel, der einen nicht vergisst.
Pastorin Elke Pankratz-Lehnhoff