Das Weihnachts-Desaster
Mutter und Sohn sind zuhause im weihnachtlich geschmückten Wohnzimmer. Der Vater lebt mittlerweile woanders. Opa ist über die Feiertage zu Besuch gekommen.
Opa: Das ist aber ein hässlicher Baum! Konntet ihr euch keinen besseren leisten?
Mutter: Fang bloß nicht wieder an zu stänkern, Vati. Wir wollen es doch dieses Jahr endlich einmal gemütlich haben. – Hannilein, holst du deine Blockflöte? Erst wenn die zarten Klänge von ‚Stille Nacht, heilige Nacht‘ erklingen, dann spüre ich: Es ist Weihnachten.
Sohn: Mutti, ich heiße Johannes. Jo-han-nes, nicht Hannilein. Du hast mir den Namen selbst gegeben. Übrigens spiele ich schon seit 10 Jahren keine Blockflöte mehr, sondern E-Gitarre - Retsinakanister heißt unsere Band.
Opa: Du willst doch diese grässliche Kreischmusik nicht ausgerechnet heute Abend spielen? Das kommt alles von der woken Erziehung. Na, mir egal: Ich stelle dann einfach mein Hörgerät ab. Früher aber hatte ich Ohren wie ein Luchs. Habe ich euch eigentlich schon die Geschichte erzählt, wie wir in der kalten Nachkriegszeit zu Weihnachten gefrorenen Glühwein gelutscht haben …?
Mutter: Ja, hast du uns schon 17 Millionen Mal erzählt. Doch kommen wir nun zum besinnlichen Teil. Hannilein, äh, Johannes, sag uns doch mal ein Weihnachtsgedicht auf.
Sohn: Na, wenn du meinst: Eine Muh, eine Mäh, eine Täterätätä, eine Tute, eine Rute …
Mutter: Lernt ihr so etwas in der Schule? Dann wollen wir lieber die Weihnachtsgeschichte lesen blättert in der Bibel Weiß jemand, wo die Geschichte steht? War das vor oder nach der Sintflut? Opi, du müsstest das doch wissen.
Opa: Na hör mal, so alt bin ich doch auch noch nicht.
Sohn: Wir können ja den Pastor anrufen. Der freut sich bestimmt heute über solche Anrufe.
Mutter: Jetzt gibt es erst einmal die Geschenke.
(Geschenke werden gegenseitig überreicht und ausgepackt)
Opa: Haha, sehr lustig, dieser Schlips mit den Micky-Mäusen.
Mutter: Schön, Topflappen in dieser Farbe habe ich noch nicht.
Sohn: Uäh, eine CD von den Amigos ‚Ihre 300 schönsten deutschen Weihnachtslieder.‘
- Aber sagt mal, was riecht denn hier so komisch? Ist das Opas Rasierwasser, Marke ‚Frozen Glühwine‘.
Mutter: Das wird doch wohl nicht der Braten sein? Wer kümmert sich eigentlich um das Essen? Es ist doch immer das Gleiche. Alles bleibt an mir hängen geht ab
Opa: Ist übrigens ziemlich kalt bei euch. Habt ihr eure Heizrechnung nicht bezahlt?
Sohn: Die Heizung hat schon die ganzen letzten Tage so komische Geräusche gemacht. Ist wohl kaputt. Schöne Bescherung.
Opa: Seit mein Schwiegersohn nicht mehr hier wohnt, geht alles drunter und drüber. Obwohl der Bengel ja wirklich zwei linke Hände hatte. Habe ich dir eigentlich schon die Geschichte erzählt, wie wir in der Nachkriegszeit bei minus 60 Grad im Moor Torf gestochen haben und dann nackt, äh nachts um den heißen Ofen getanzt sind?
Sohn: Ach Opi … Tanzen ist aber ein gutes Stichwort. Ich fahr jetzt in einen Club nach Hannover. Da habe ich mich mit ein paar Freunden verabredet zum Nackttanzen. Tschüss Opi. Rohes Fest.
Mutter kommt wieder: Also, der Braten ist nur noch Grillkohle. Hannilein, wo willst du denn jetzt noch hin, Hannilein? Wir müssen doch noch …
Opa: So, das reicht. Ich finde, das hat sich wirklich gelohnt. Wir sollten jedes Jahr so wie heute eine Generalprobe machen. Dann weiß man, worauf man achten muss, damit der Heiligabend keine Katastrophe wird. Ich gehe jetzt erst mal die Heizung reparieren, damit uns so etwas in drei Tagen nicht wieder passiert.
Mutter: Und ich rufe tatsächlich mal den Pastor an und frage ihn, warum wir als erfundene Figuren in einem Sketch ohne christlichen Inhalt mitspielen müssen. Vermutlich will er damit die Leute am Heiligabend nur in die Kirche locken.
Jürgen Holly, Pastor in Barsinghausen; Foto: Adobe stock