Vier Fragen von Sabine Freitag an Superintendentin Antje Marklein zum Schutzkonzept vor sexualisierter Gewalt im Kirchenkreis:
Freitag: Frau Marklein, im Kirchenkreis gibt es jetzt ein Schutzkonzept zur Prävention vor sexualisierter Gewalt. Das hört sich auf dem ersten Blick nach einem sperrigen Vorhaben an?
Marklein: Aber nur auf dem ersten Blick. Das Konzept ist zunächst entstanden, weil in der gesamten Landeskirche alle Kirchenkreise so ein Schutzkonzept erstellen im Rahmen einer großen Präventionskampagne. Aber wir wollen auch konkret vor Ort, in unseren Gemeinden, in Gruppen und auch Einrichtungen für das Thema sensibilisieren. Wir schauen genau hin.
Freitag: Und wie sieht das Konzept konkret aus? Was gehört dazu?
Marklein: Zu unserem Schutzkonzept gehören zum Beispiel die Schulungen, die seit Anfang des Jahres zweimal im Monat angeboten werden. Diese Schulungen dauern jeweils vier Stunden und sind verpflichtend für alle Haupt- und Ehrenamtlichen in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen. An den Schulungen nehmen auch alle Kirchenvorstände teil. Hier erfahren die Teilnehmenden, was sexualisierte Gewalt beinhaltet, wo Grenzverletzungen oder auch strafrechtliches Verhalten beginnen. Auch hier ist die Sensibilisierung für das Thema zentral. Und wir machen dieses öffentlich, wir richten Aufmerksamkeit auf das Thema. Ein deutliches Zeichen in die Öffentlichkeit und auch an Menschen, die möglicherweise selbst sexualisierte Gewalt ausüben. Wir sehen hin und wir ziehen auch Konsequenzen.
Freitag: Das hört sich nach einem schlüssigen Konzept an. Aber wie können Sie wirklich sicherstellen, dass es nicht zu Grenzverletzungen oder gar zu Übergriffen, kommen kann?
Marklein: Indem wir weiter aufmerksam sind. Vertrauen ist eine unserer Grundlagen. Aber wir gehen auch mit einem gesunden Misstrauen durch den Gemeindealltag. Wir schauen hin, schenken dem Thema und vor allem möglichen Betroffenen Aufmerksamkeit. Jede Gemeinde erstellt zum Beispiel noch in diesem Jahr eine Risikoanalyse ihrer Veranstaltungsangebote, aber auch ihrer Räumlichkeiten. Dazu gehört ein genauer Blick in unsere Räumlichkeiten.
Freitag: Und wenn doch ein Verdacht im Raum steht oder eine Betroffene, ein Betroffener von sexualisierter Gewalt sich meldet? Was sieht dann das Schutzkonzept vor?
Marklein: Dann ist es zunächst vor allem wichtig, der Person, die einen Verdacht äußert, zuzuhören, ihr zu vertrauen und Glauben zu schenken. Bei einem Verdacht wendet sich die betroffene Person allein oder zusammen mit einer anderen Vertrauensperson an eine Hauptamtliche aus der Gemeinde oder an mich als Superintendentin. Wir haben einen Kriseninterventionsplan, den wir dann in Gang setzen. Auch Betroffene, die das Geschehen vielleicht schon seit Jahren mit sich herumtragen, können sich an mich wenden. Außerdem gibt in der Landeskirche eine Fachstelle oder es gibt die zentrale Anlaufstelle ‚Help‘ mit unabhängigen Informationen für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie.