Schon die Geburt ist der erste Abschied im Leben eines Menschen
Sie ist eine brillante Erzählerin und Vortragende - rund 90 Gäste erlebten am Donnerstagabend, 16. November, Professor Annelie Keil im Gemeindehaus der Ronnenberger Michaelisgemeinde. "Abschied leben lernen" war der Titel des Abends, zu dem die Calenberger Diakoniestiftung und der Ambulante Hospizdienst "Aufgefangen" eingeladen hatten. Dabei bewegte sich Annelie Keil zwischen humorvollen-satirischen Seitenhieben auf das Abschiednehmen und eindrucksvollen Geschichten vom Sterben und Loslassen. So wie die Geschichte eines krebskranken Kindes in einem Hospiz, das die Begleiterin nach ihren Lieblingsblumen fragte. Auf die Gegenfrage, warum es das wissen wolle, hörte sie, dass das Kind dann, wenn es im Himmel sei, aus deren Lieblingsblumen einen schönen Strauß pflücken wolle, den er ihr dann schenke, wenn sie zu ihm komme. Annelie Keil machte in ihrem Vortrag deutlich, dass das ganze Leben aus Abschieden bestünde. So sei selbst die Geburt, die "End-Bindung" aus dem Mutterleib, schon ein Abschied nach neun Monaten Leben. Später folgen andere Abschiede, von Orten, Menschen, Häusern. "Jetzt bin ich froh, es hinter mir zu haben", meinte sie mit Blick auf ein altes Haus, in dem sie mal in der Wesermarsch lebte und das abgerissen wurde. Abschied leben lernen heiße eben auch, Kummer irgendwann zu beenden. Den eigenen Tod zu verdrängen - auch dieses Recht habe jeder und jede, machte Annelie Keil deutlich. "Sterben schafft jeder Mensch, so wie er die Geburt auch geschafft hat. Nur der Übergang kann sehr schwer sein", sagte sie. Wichtig sei, mit dem Tabu um Tod und Sterben zu brechen. "Ein Tabu nützt nur denen, die davon profitieren und die andere Menschen instrumentalisieren", machte sie deutlich. Wichtig seien in einer Gesellschaft auch die seelische und die soziale Gesundheit. Und so, wie in der Vergangenheit Geburtskliniken entstanden, hätten auch Hospize als Sterbeorte eine wichtige Aufgabe. Die Hospizbewegung mit vielen Ehrenamtlichen, die auch den Vortrag von Annelie Keil verfolgten, trage dazu bei, dass Fragen von Tod und Sterben nicht der Politik überlassen werden, sondern dass die Menschen selbst wissen, wie sie leben und sterben wollen. An den Vortrag schloss sich eine rege Diskussion mit Annelie Keil an. Zuvor waren die Gäste eingeladen, auf großen Tafeln zu der Frage "before I die" (Bevor ich sterbe) ihre Ideen aufzuschreiben. Schon in der Begrüßung hatte Superintendentin Antje Marklein ein paar spontane Äußerungen gesammelt. "Mein Leben 'besenrein' hinterlassen", "entspannt sein", "mit allen versöhnt sein" oder "mein Haus bestellt haben", wurden genannt.
Der Vortrag bildete den Schlusspunkt einer Veranstaltungsreihe zu Fragen von Abschied, Tod und Sterben. Unter anderem wurde das Anna-Forcke-Stift in Barsinghausen besichtigt, in dem ein stationäres Hospiz entstehen soll und es gab eine Podiumsdiskussion rund um Fragen der Palliativ-Versorgung von Sterbenden.
Text: Freitag, Fotos: Freitag, Richter